Wie können wir kollektiv und selbstorganisiert die kapitalistisch_patriarchalen Vereinnahmungen unserer Körper, Gedanken und Emotionen überwinden?

Wann

Montag - 13.11.2023
18:00 - 20:00  

Wo

W1
(genauer Ort auf Anfrage), Leipziger Osten

Rollstuhlgerecht? Nein
Details
(english version below)

 

Infoabend des APESD Kollektivs zu geplanter selbstorganisierter Therapie ‚MAST‘, zu Skillshares und gemeinsamer Wissensaneignung

 

danach Möglichkeit für Austausch bei gemütlichem Barabend

 

Unser anarcha_queeres Kollektiv beschäftigt sich seit einiger Zeit mit den Auswirkungen von Herrschaftssystemen (patriarchat_kapitalismus) auf unsere Körper und Psyche. Die Notwendigkeit einer in die Tiefe gehenden Auseinandersetzung und einer Suche nach einem Umgang mit unseren Wunden kommt aus gelebten Erfahrungen, unseren Beziehungen zu uns nahen Menschen, zu uns selber, unserem Struggeln mit und in der Gesellschaft in der wir leben und unserem Wunsch nach umfassender Widerständigkeit gegen Herrschaftssysteme, die unser Leben, unsere Beziehungen, unser Fühlen und Handeln vereinnahmen.

 

Was wir vorhaben:
Ab Anfang des Jahres 2024 wollen wir gern mit drei regelmäßigen Gruppen in Leipzig starten und über diese wollen wir im Infoabend sprechen. 

 

1) Wir wollen uns in einem wöchentlichen Lesekreis gemeinsam zum Thema Trauma bilden. Wir wollen uns damit beschäftigen, was einzelne Gewaltfälle, Schock und Repression in unserem Körper machen und wie wir anhaltende Spuren solcher Überwältigung in unseren Körpern vermeiden können sowie Umgänge finden, sollten diese Spuren bereits bestehen. Wir wollen lernen, wie unsere jetzigen Bindungen zu uns selber und anderen durch frühe Beziehungserfahrungen beeinflusst werden. Wir wollen neurobiologisch verstehen, was strukturelle Gewalt und komplexe Traumata/Wunden, wie z.B. jene, gegendered zu werden, mit uns machen. Wir wollen sehen, was Awareness und Informiertheit hier schon an neuen Handlungsmöglichkeiten aufmachen kann, und uns Umgangsskills aneignen, damit wir uns befähigter fühlen angesichts von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Depression und Aggressionen.
        Dazu wollen wir u.a. Ausschnitte des Buches „Healing the Fragmented Selves of Trauma Survivors“ (Janina Fisher) und „The Body keeps the Score“ (Bessel v.d. Kolk) lesen und noch weitere Texte recherchieren. Im Rahmen davon werden wir uns die Methode ‚Internal Family Systems‘ (IFS) als Ressource genauer ansehen. In wöchentlichen Treffen das Jahr hinweg wollen wir uns außerdem mit Accountability und trauma-informiertem Umgang mit Konflikten auseinandersetzen, eventuell auch unter Einbeziehen von Erfahrungen mit Transformative Justice Ansätzen. Es wird also mitunter auch ein recht praxisnaher Lesekreis, im Sinne von Raum für Auseinandersetzung mit eigenen Mustern.

 

2) Wir sind in unseren Recherchen auf das anarchistische „Jane Addams Collective“ aus NYC gestoßen, welches mit dem ‚MAST (Mutual Aid / Social Therapy) Programm‚ einen sehr kompakten Gruppentherapievorschlag stellt, in dem es vor allem darum geht, unseren Gefühlen und Handlungen unbewusst unterliegende Glaubenssätze bewusst zu machen, damit sie unser Fühlen und Handeln nicht mehr (bzw. weniger) negativ beeinträchtigen. 
Dieses Programm würden wir gern anhand eines Zines, in dem es beschrieben wird, gemeinsam diskutieren und dann vor allem praktisch ausprobieren. Wöchentlich soll hier abwechselnd in der Gesamtgruppe sowie in Triaden (Dreiergruppen) miteinander gearbeitet werden.

 

3) Nachdem neurobiologisch informierte Ansätze zu Umgang mit angestauten Emotionen und Traumata auf die Wichtigkeit von bewusstem achtsamen Spüren im Körper hinweisen, wollen wir uns alle zwei Wochen intensiv mit Praktiken und Techniken auseinandersetzen, die uns auch auf somatischer Ebene mehr Handlungsfähigkeit bieten können. In diesen regelmäßigen Treffen wollen wir bestehende Techniken nach unseren antiautoritären- herrschaftskritischen Ansprüchen „umformen“, sodass sie uns im Ausbau unserer Agency helfen können. Vorläufige Kritierien für diesen Skillshare sind, dass die mitgebrachten Techniken 
  • nicht esoterisch-guru-autoritär sind und nicht zu toxischen Abhängigkeiten führen können, sondern antiautoritäres Potential haben
  • ohne langwierige, teure Ausbildung erlernbar sind, – ein kollektiver Skillshare möglich ist
  • es bereits Erfahrungen gibt von Menschen, denen vertraut wird, dass diese Techniken wirken und/oder erlernt werden können
Eine Person aus unserer Gruppe hat einen Skillshare vorbereitet, um herrschaftskritisch hinterfragt Praktiken aus dem sogenannten ‚Body-Mind Centering‘ und ‚Authentic Movement‘ gemeinsam auszuprobieren und für konkrete Situationen und Herausforderungen anwendbar zu machen. Dieser vorbereitete Skillshare soll sich abwechseln mit einer offenen Einheit (beides findet somit jeweils monatlich statt), in der alle Teilnehmenden Skills und Techniken teilen können, die sie als hilfreich für ein Aufrechterhalten oder den Aufbau von lebendiger Widerständigkeit empfinden. Wir wollen uns gegen die toxische Vereinnahmung unserer Gefühle und Empfindungen wehren und uns gemeinsam anschauen, wie wir das üben können und wollen. Menschen aus unserer Gruppe bringen in diese offenen Einheiten Erfahrungen mit der ‚Grinberg‘ Methode, Meditations-Achtsamkeitspraxis, ‚Focusing‘ sowie einiges an Erfahrungswerten, was sich nicht unter einen speziellen Namen subsumieren lässt 😉 mit. Wir wollen voneinander lernen und miteinander forschen und was immer mit dem Befreien unseres Fühlens und Empfindens von patriarchal_kapitalistischer Vereinnahmung zu tun hat ist herzlich willkommen, miteinander geteilt zu werden.
Wenn ihr mehr zu unseren Vorhaben wissen wollt, Ideen habt, euch einbringen wollt, mitmachen, kritische Bedenken habt usw., dann kommt gerne vorbei oder schreibt uns: apesd@riseup.net (pgp key auf Anfrage)
Wir werden bis zum Treffen auch versuchen, konkretere Wochentage, Zeiten und Orte für die regelmäßigen Veranstaltungen vorzuschlagen. 
Am Beginn der Veranstaltung werden wir gemeinsam entscheiden, ob wir Englisch oder Deutsch sprechen und Flüsterübersetzung organisieren.

 

Zum Weiterlesen:
– Text: „Why we think that psychoemotional self- and community defense is necessary“
– The Jane Addams Collective: Mutual Aid, Trauma, and Resiliency
– The Jane Addams Collective: Mutual Aid Self/Social Therapy
beides zu finden auf: https://theanarchistlibrary.org

 

Welchen Umgang wir uns wünschen:
Wir wünschen uns einen achtsamen, caring Umgang miteinander, der es uns ermöglicht, sowohl auf unsere eigenen als auch die Grenzen anderer gut aufzupassen. Uns ist es wichtig, dass wir Kritik wohlwollend üben, mit der Ausrichtung, uns gegenseitig in unseren Befreiungsprozessen zu unterstützen. Wir wollen uns außerdem bemühen, uns gegenseitig so gut wie möglich in der Wissensaneignungen zu supporten und darin auf unterschiedliche Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
        Im Miteinander ist uns eine antipatriarchale_antikapitalistische Grundhaltung wichtig. Damit meinen wir auch, dass wir einander nicht konsumieren oder anhand oberflächlicher Kriterien „auschecken“, dass „Flirten“ nur unter gemeinsamem Konsens passiert und dass wir einer Kultur von Austauschbarkeit und Beliebigkeit entgegenwirken wollen. Wir wollen keine Coolness und keine Szenecodes, die auf andere ausschließend wirken.
        Wir sind drei weiß sozialisierte Menschen und nicht nur aus dieser Erfahrung heraus gebiased. Es ist uns wichtig, uns aktiv damit auseinanderzusetzen, einen möglichst diskriminierungsfreien Raum zu schaffen. Wir wollen uns auf Augenhöhe begegnen, im Bewusstsein, dass wir alle voneinander lernen können. Wir wollen mit allen, die unsere Werte teilen, Utopien weben, und dafür denken wir braucht es viel Bewusstseinsarbeit und vor allem sich-gegenseitig-Zuhören, – ein sich Kennenlernen.
        Auf diesem Weg (mit all seinen Widersprüchen) wollen wir achtsam miteinander umgehen, aufeinander aufpassen, Ableismen reflektieren und Rassismus so am Schirm bekommen, dass sich von Rassismus betroffene Menschen in der gemeinsamen Gruppe nicht geothered oder sonstiges fühlen. Diese Auseinandersetzung verstehen wir als einen Prozess.

 

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english version:
How can we collectively and self-organizedly overcome the capitalist_patriarchal appropriation of our bodies, thoughts and emotions?
Info evening of the APESD collective on planned self-organized therapy ‚MAST, skillshares and shared knowledge acquisition
Monday November 13th, 18-20h // Location upon request // afterwards possibility for exchange & drinks at the bar
Our anarcha_queer collective has been dealing with the effects of systems of domination (patriarchy_capitalism) on our bodies and psyche for some time. The necessity of an in-depth examination and a search for a way to deal with our wounds comes from lived experiences, our relationships with people close to us, with ourselves, our struggling with and in the society we live in and our desire for extensive resistance against systems of domination that take over our lives, our relationships, our feelings and actions.

 

What we plan to do:
From January 2024 on we would like to start with three regular groups in Leipzig and we want to talk about their content in this info evening. 

 

1) We want to form a collective weekly reading circle on the topic of trauma. We want to look at what violence, shock and repression does to our bodies and see how we can avoid persistent traces of such overwhelm in our nervous systems as well as find ways of dealing with these traces in case they already exist. We want to come to understand how our current attachments to ourselves and others are influenced by early relational experiences (both positive and negative). We want to understand neurobiologically what structural violence and complex trauma/wounds, such as those of being gendered, do to us. We want to see what awareness and informedness can already open up here in terms of new possibilities for action, and acquire coping skills so that we feel more empowered in the face of helplessness, powerlessness, depression and aggression.
    We will read excerpts from the book „Healing the Fragmented Selves of Trauma Survivors“ (Janina Fisher) and „The Body keeps the Score“ (Bessel v.d. Kolk) and research other texts. As part of this we will look more closely at the ‚Internal Family Systems‘ (IFS) method as a resource. In these weekly meetings throughout the year we also want to look at accountability and trauma-informed dealing with conflict, possibly including experiences with Transformative Justice approaches. So it will be quite a hands-on reading circle in a way, in the sense of providing space to engage with our own patterns.

 

2) In our research we came across the anarchist „Jane Addams Collective“ from NYC, which with the ‚MAST (Mutual Aid / Social Therapy) Program‚ developed a very compact group therapy proposal, which is primarily about making our feelings and actions conscious of unconscious underlying beliefs, so that the latter no longer (or less) negatively affect our feelings and actions. 
We would like to discuss this program together on the basis of a zine in which it is described and then, mainly, try it out in practice. We would like to work together on a weekly basis, alternating between the whole group and triads (groups of three).

 

3) Since neurobiologically informed approaches to dealing with accumulated emotions and trauma point to the importance of conscious mindful sensing in the body, we want to explore practices and techniques every two weeks that can offer us more agency on a somatic level. In these regular meetings we want to „remodel“ existing techniques according to our anti-authoritarian and power-critical claims, so that they can help us in the expansion of our agencies. Preliminary criteria for this skillshare are that the techniques we bring along
  • are not esoteric-guru-authoritarian and cannot lead to toxic dependencies, but have anti-authoritarian potential
  • can be learned without lengthy, expensive training, – a collective skillshare is possible
  • there is already experience from trusted people that these techniques work and/or can be learned
One person from our group has prepared a skillshare to power-critically try out practices from so-called ‚Body-Mind Centering‘ and ‚Authentic Movement‘ together and to make them applicable to concrete situations and challenges. This prepared skillshare will alternate with an open session (both will thus take place monthly), in which all participants can share skills and techniques they find helpful for sustaining or building resistance and aliveness. We want to resist the toxic appropriation of our feelings and sensations and look together at how we can and want to practice this. People from our group bring to these open sessions experiences with the ‚Grinberg‘ method, meditation mindfulness practice, ‚Focusing‘, as well as some experiential stuff that can’t be subsumed under a specific name ;). We want to learn from each other, explore with each other and whatever has to do with freeing our feeling and sensing from patriarchal_capitalist appropriation is welcome to be shared.
If you want to know more about our plans, have ideas, want to get involved, participate, have critical concerns, etc., feel free to come by or write us: apesd@riseup.net (pgp key on request)
We will also try to prepare suggestions for more concrete days of the week, times and places for the regular events until the meeting.
In the beginning we will decide together wether to speak english or german and organize whisper translation.

 

For further reading:
– Text: „Why we think that psychoemotional self- and community defense is necessary“
– The Jane Addams Collective: Mutual Aid, Trauma, and Resiliency
– The Jane Addams Collective: Mutual Aid Self/Social Therapy
both to be found at: https://theanarchistlibrary.org

 

How we want to treat each other:
We desire mindful, caring interactions that allow us to take good care of our own boundaries as well as the boundaries of others. It is important to us that we offer criticism benevolently, with the orientation of supporting each other in our processes of liberation. We also want to try to support each other as much as possible in the acquisition of knowledge and to be considerate of different needs.
        In our togetherness an anti-patriarchal_anti-capitalist attitude is important to us. By this we also mean that we do not consume each other or „check each other out“ based on superficial criteria, that „flirting“ only happens under common consensus and that we want to counteract a culture of interchangeability and randomness. We don’t want any coolness or scene codes that have an exclusionary effect on others.
        We are three white socialized people and, not only based on this experience, we are biased. It is important to us to actively deal with creating a space that is as free of discrimination as possible. We want to meet as equals, aware that we can all learn from each other. We want to weave utopias with all those who share our values, and for this we think it needs a lot of awareness work and above all listening to each other – getting to know each other.
        On this path (with all its contradictions) we want to be mindful of each other, take care of each other, reflect on ableisms and get racism on the screen so that people affected by racism do not feel othered or otherwise marginalized in the group. We understand these endeavours as a process.

Veranstaltende Gruppe: APESD Kollektiv

Sprache des Events: Englisch/Deutsch

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