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Jüdisches Leben in Polen unmittelbar nach dem Holocaust war voller Ambivalenzen und widersprüchlicher Erfahrungen: zwischen Selbstbestimmung und Gewalt, Trauer und Neuanfang, Wiederaufbau und Emigration. In Niederschlesien und Stettin, auf ehemals deutschem Gebiet, erlebte jüdisches Leben für einige Jahre eine kurze Blüte. Zeitgleich fanden Übergriffe auf Jüdinnen und Juden statt, der größte Gewaltausbruch war das Pogrom von Kielce im Sommer 1946. Diese Eskalation war einer der wesentlichen Gründe für die Emigration eines großen Teils der Holocaustüberlebenden bis Ende des Jahrzehnts.
Als dies erlebten auch die Großeltern der in Leipzig lebenden Schriftstellerin Rebecca Maria Salentin. Sie kamen aus den Schtetl im östlichen Europa. Während des Zweiten Weltkriegs ermordeten die Deutschen ihre Familien, sie selbst überlebten die Ghettos und Lager unter widrigen Umständen. Beide kamen unabhängig voneinander nach Kriegsende nach Stettin, wo sie heirateten. Sie verließen die Hafenstadt am Oderhaff ein Jahr später. Zwei Monate vor der Geburt des ersten Kindes, im Sommer 1946, flohen sie aus Polen in die alliierten Besatzungszonen. Der Vater von Rebecca Maria Salentin wurde in einem Lager für Displaced Persons in Österreich geboren. Fast zwei Jahre lang lebte die Familie als Staatenlose in diversen Camps, zuletzt auf Zypern, bis sie 1948 nach Palästina/Israel emigrieren.
Die Großeltern haben nie wieder über ihr Leben in Polen und die ermordeten Familienmitglieder gesprochen. Deswegen unternimmt Rebecca Maria Salentin in ihrem aktuellen Buchprojekt den Versuch, in Polen Spuren ihrer jüdischen Großeltern und ihrer Verwandten zu finden und nachzuzeichnen, wie ihr Leben vor dem Zweiten Weltkrieg aussah und was mit ihnen während der Shoa geschah.
In einer Tandem-Führung durch die Ausstellung »Der bestimmende Blick. Bilder jüdischen Lebens im Nachkriegspolen« gibt Rebecca Maria Salentin Einblick in ihre Recherchen und Familiengeschichte. Die Historikerin und Kuratorin der Ausstellung, Julia Roos, bettet die persönliche Geschichte anhand der Ausstellung ein in den breiteren Kontakt der polnisch-jüdischen Nachkriegsgeschichte.
Link zur Veranstaltung: https://www.dubnow.de/veranstaltung/juedisches-leben-im-nachkriegspolen-eine-spurensuche
Veranstaltende Gruppe: Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow
Sprache des Events: Deutsch
Eintritt: kostenfrei
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